text: leowee | fotos: ajoy misra | berlin 2006

_schöne hure stadt_maldoror

IV

Wie erscheint man am Geschicktesten im Sozialamt? Jedenfalls nicht mit Hut. Ich verstaue das Ding im Rucksack. Zwei Stunden Aufnahmeprüfung in Zone 3, dann Beförderung in den zweiten Stock, Team 647 wird Sie freundlich begrüßen, Zimmer 216. An der Tür steht mein neuer Dienstgrad, »Barauszahlungen für Notfälle«, ich bin stolz auf meinen dramatischen Aufstieg. Was ist schon ein Sozialfall gegen einen Notfall?

Alle Bänke besetzt, Erwerbslosigkeit ist die Branche der Zukunft, der Linoleumboden ist kalt und popelgrau. Fußabdrücke garnieren die Wand vor mir, eine Tür ist eingetreten. Beamte schlurfen durch die Gänge und tränken die Aktenstapel mit ihrem Achselschweiß.

Ich zähle die toten Falter in der Neonröhre über mir.

Mein Steißbein tut weh.

Finden Sie das eigentlich sehr appetitlich, ständig Rotz Ihre Nase hochzuziehen? Und kann dieses verdammte Baby da mal aufhören zu plärren?

— Herr Krampf bitte!

Der Nasenhochzieher schreckt auf, seine Deichmanntüte raschelt.

76 tote Falter später bin ich dran.

 

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Der Kaffeebecher des Beamten hat braune Lippenabdrücke am Trinkrand. Ich unterschreibe das Formular.

— Aber passen Sie auf, dass niemand hinter Ihnen steht, wenn Sie das Geld aus dem Automaten ziehen!

Ach du Schreck! Gibt es denn keinen Wachdienst hier? Egal, meine Nerven haben selber Wachdienst. Ehrfürchtig nehme ich die Geldkarte entgegen. Damit muss ich jetzt zur Auszahlung, den langen Gang entlang, die Treppen runter ins Erdgeschoss und dann rechts.

Würden nur nicht in jedem Winkel diese Gestalten rumlungern! Meine Finger krampfen sich um die Plastikkarte in meiner Jackentasche. Röntgenblicke erspähen die Karte in meiner Hand. Was glotzt ihr alle so gierig?

Gleich hab ich es geschafft. Ich stehe im Foyer. Leute gehen ein und aus. Wo ist denn nun endlich dieser verdammte Automat? Ahh, da hinten! Ich blicke noch mal zu beiden Seiten über die Schulter, die Luft ist rein.

Sieht komisch aus, das Teil, steht gar nichts dran von Geld. Egal, schnell jetzt, bevor einer dich sieht! Ich zücke die Karte, meine Hände zittern. Ich schiebe die Karte in den Schlitz. Der Kasten schluckt die Karte und sagt ERROR.

Ach du heilige Scheiße! Was mach ich denn jetzt? Mir bricht der Schweiß aus. Wie kriege ich die verdammte Karte da wieder raus? Ich drücke alle Knöpfe, die ich finden kann. Verdammt, ich muss meine Miete bezahlen! Ich schlage gegen den Kasten. Eine Hand legt sich auf meiner Schulter. Ich wirbele herum. Der Wachschutz!

— Junge Frau, das ist der Zeiterfassungsautomat für die Stechkarten.